Zu Klagen wagen

Der Arzt war ein Allgemeinmediziner. Ich konnte meinen Kiefer kaum bewegen und nur ein wenig sprechen. Ich legte ihm eine Schilderung des Zustandes schriftlich vor, und auch was geschehen war. Er las sie durch und sagte, ich hätte ein riesiges psychisches Problem und sollte zum Fachkollegen gehen. Schon hatte er einen Überweisungsschein in der Hand. Ich brachte es zustande, die Frage heraus zu stottern, wie er darauf komme, da er mich erst seit wenigen Minuten kenne. Er sagte, er habe das an der Art, wie ich schreibe, erkannt. 

Eine Freundin von mir, die Ärztin war, aber nicht praktizierte, besuchte ihre Mutter im Krankenhaus und merkte, dass ihre Mutter viermal mehr Blut bei einer Punktion in den Körper eingebracht bekam als erlaubt. Darüber hinaus hegte sie den Verdacht, dass ihre Mutter als Testperson für Medikamente missbraucht wurde. Sie schrieb die Bezeichnungen der Medikamente ab und ein Apotheker bestätigte ihren Verdacht. Sie schrieb die Bezeichnungen der Medikamente ab und ein Apotheker bestätigte ihren Verdacht. Ihre Mutter starb. Sie war dünn, klein und alt.

Eine Physiotherapeutin erzählte, dass ein siebzigjähriger  Mann einen Arbeitsunfall hatte. Seinem Sohn fiel ein Gutachten in die Hände, wo es geschrieben stand: schwierige Kindheit, Vater Alkoholiker, Epilepsie. Nichts davon war wahr. Medikamente wurden abgesetzt. Der Mann verhielt sich eine Zeitlang aggressiv, was vorüber ging. 

Die Physiotherapeutin besuchte ihre Schwiegermutter  eines Tages in einer Reha-Klinik. Auf dem Nachttisch sah sie Medikamente liegen und sagte: Mal sehen, was sie dir geben. Erstaunt stellte sie fest, dass es Medikamente gegen Demenz waren. Sie fragte nach, man informierte, ihre Schwiegermutter sei achtzig Jahre alt. Sie nahm die Schwiegermutter mit ins Auto und fuhr nach Hause. Ihre Schwiegermutter war achtzig, vergaß nichts und fuhr selbst Auto. 

Ein Freund von mir, der geschiedener Vater war, sich rührend um seine zwei Kinder kümmerte und als Betriebsingenieur jahrzehnte lang in einem grossen Kraftwerk tätig war, ging zum Arzt und bat um eine Überweisung, weil er ein paar Wochen in einer Reha-Klinik verbringen wollte, um sich zu stärken. Der Arzt wollte ihm Psychopharmaka geben, was er ablehnte. Der Arzt bat ihn, Tabletten zu nehmen und sie in den ersten Mülleimer draußen zu werfen. 

Ein Mann Mitte fünfzig sagte zu mir: Sieh! Wie gewissenlos die Ärzte sind! Ich hörte zu. Während ich zusah, wie rote Flüssigkeit sein Gesicht bedeckte (man sagte früher, blutige Tränen kämen vom Herzen) und Blut statt Worte aus seinem Mund hervor trat, vergaß ich, was er erzählte.  

All das ist schon lange her. Ich ging zu keinem einzigen Arzt mehr. Psychiater werden von denen, die Menschen unter Narkose zusammenschlagen, weil sie die Bett-Wagen schnell fahren und ebenso schnell bremsen, immer noch ferngehalten. Sie sind öfter für diejenigen, die zusammengeschlagen werden, zuständig.  Darf sich denn nichts an der Sache ändern?

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