Einerseits werden Haredim ultra-orthodoxe jüdische Sekte genannt, andererseits heißt Chabad messianische jüdische Sekte. Einerseits scheint es darum zu gehen, die Menschen gegen die Haredim zu stimmen, andererseits gegen Chabad. Was sagen die Haredim? Was sind die Stimmen von Chabad? Sind beide jüdisch? Ist Chabad Sekte oder sind es die Haredim? Eines Tages hörte ich einen Rabbiner über die Frage, wie es zum Holocaust kam, via mein Bildschirm sprechen. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Buch, in dem, wie er sagte, die Antwort auf diese Frage zu finden sei. Das Buch kennt alle Welt. Ein Kommentar lautete: Wahrheit hat er gesagt, ein anderer meinte: Schade, dass sie alle im Holocaust nicht umgebracht worden seien. So war der Plan laut Buch, das auf dem Tisch des Rabbis lag.  

Mein Großonkel, der bei der Familie seines Bruders, das heißt meines Großvaters, lebte, versuchte, wie mittlerweile nicht ganz unbekannt, zwei Juden das Leben während des Holocausts zu retten. Ein Nachbar denunzierte sie. Das Grab der beiden Erschossenen erbte ich. Das schrieb ich in meiner Antwort. Hat jemand das Recht, von mir zu verlangen, dass ich schweige? Mein Großonkel wurde nicht verraten. Kein Nachbar ahnte offenbar, dass er half. Oder ahnte jemand es doch, schwieg aber? Mein Großonkel und der Rest der Familie überlebten. 

Ein Russe schrieb mir gleich zurück, dass es hundert mal mehr russische als jüdische Gräber gebe. Er fragte, ob ich kein Problem damit hätte. Ein Russe und ein Lette überlebten in derselben Erdkuhle, in der mein Großonkel die zwei Juden später versteckte, schrieb ich ihm nun meinerseits und auch, dass es zur Zeit nicht allzu einfach sei, es nur zu versuchen, Sympathien für Russen zu wecken, möge es um russische Gräber gehen. Ich dachte, er wird die jüdische Welt, für die, ähnlich vielleicht wie für manche andere, nicht immer einfach ist, Sympathien zu wecken, und die jüdische Lage ein wenig verstehen, sich als ihr Leidensgenosse  sozusagen sehen. Unsere Regierung ist jüdisch, schrieb er mir, bitte alle Beschwerden dorthin.

Die Haredim seien jüdisch, jüdisch sei auch Chabad, die einen seien ultra-orthodox, die anderen messianisch. Die einen seien nicht modern, die anderen verstießen gegen die Grundwerte der jüdischen Religion, heißt es. Wer ist wer? Wer hat Recht? Die Haredim sind ihrer Haltung nach propalestinisch, wie, vermute ich sehr, der Russe auch, der mich wegen russischer Gräber zur Rede stellte. Die Haredim verkünden: Die jüdische Religion verbietet die Existenz eines jüdischen Staates, sie verbietet Terror, Mord, Diebstahl, das Nichtwohlwollen den Völkern gegenüber, mit denen die Juden auf ein und demselben Boden leben.

Während sich viele Chassidim nicht zu Chabad bekennen, nennt sich Chabad chassidisch. HaGalil hinterfragte Chabads Grundwerte aus jüdischer Sicht. Chabad verehre einen Menschen, das heißt den verstorbenen Rabbiner Menachem Mendel Schneerson, wie einen Götzen und so weiter. Über die Ursachen der Entstehung der chassidischen Bewegung wird dies und jenes berichtet. Beantwortet ein Witz die Streitfrage am besten? Vor gut dreihundert Jahren merkte ein Lehrer, dass zwei Schüler seiner jüdischen Schule nicht seinen Worten, sondern dem Flug eines Vogels am Himmel folgten. Er fragte sie, was dabei ihre Gedanken seien. Der eine antwortete, er dachte, der Vogel sei eine Seele, die gen Himmel fliege. Der andere sagte, er habe überlegt: Fällt der Vögel tot auf die Grenze von zwei Grundstücken, wem wird er gehören? Der Lehrer urteilte, der zweite Schüler dachte richtig. Der erstere, später Chasside, wurde aufgefordert, die Tür des Unterrichtsraumes von außen zu schließen.

Es gibt Äußerungen, Khasaren, die zur Zeit ihren vor über tausend Jahren zerstörten Staat in der südlichen Ukraine aufbauen, seien gar keine richtigen Juden. Die Khasaren antworten hingegen, sie seien von Rabbis in das jüdische Volk aufgenommen worden und seien genauso Juden wie alle anderen. Chabad regiere mehrere Länder, heißt es. Er sei messianisch. Es ist nicht so, dass die Haredim an das Kommen des Messias und die Endzeit nicht glauben. Sie sind bloß mit der Beschleunigung der Entwicklung des Weltgeschehens nicht einverstanden. Genauer gesagt, sie halten die Versuche, das Kommen des Maschiach zu beschleunigen, für die Lästerung des Heiligen und warten. Chabad sang im Jahr 1980 spätestens aber: "We want Moshiach now", zu Lebzeiten ihres 1994 verstorbenen Rabbiners, den sie immer noch sehr verehren. Manche behaupten wohl sogar, der Verstorbene sei am Leben.

So etwas zu singen, ist noch lange keine Straftat. Einen Krieg zu arrangieren, ist mehr als ein Verbrechen. Allein der Zynismus ist stellenweise erschreckend. Zum Beispiel, vorausgesetzt, die Videos sind keine Fälschung, bekam ein Ukrainer vom, wie es heißt, Urheber des Projektes des neuen jüdischen Staates zu hören: In der Ukraine hat dir nie etwas gehört. Du bist ein Stäubchen der Biomasse, das der Wind zufällig in die Ukraine getragen hat. Andere seiner Aussagen an die ukrainische Bandera war: Was drängt ihr mit euren krummen Hufen ins Bankwesen, in die Verwaltung, bis hin zu unserem Tisch? Tötet die Russen.  

In einem der Grundwerke Chabads seien, den Berichten zufolge, Aussagen zu finden, Nichtjuden seien keine Menschen, sie hätten keine Seelen und desgleichen. Man kann selbstverständlich einwenden, die Stimmen der Haredim seien unehrlich, da es im Sohar, Talmud, ja, in der Tora, Aufrufe zum Mord und Betrug anderer Völker gebe. Inwiefern aufrichtig jemand eine Sache vertritt, weiß nur er selbst letzten Endes.  Laut Videoaufnahmen werden sie geschlagen, gezerrt und auf den Boden gezogen, was mich, erlaubterweise oder auch nicht, an Katznelsons Gedicht אני הגבר erinnert. Katzenelsons Gedicht sowie die übrige Holocaustlyrik wortwörtlich auf Deutsch zu veröffentlichen, sei verboten. Verboten sei das Relativieren der deutschen Schuld. Das Gedicht veröffentlichte ich auf einer Plattform im Original. Es wurde gelöscht. Eine andere Plattform lässt es stehen. Es wurde vielmals gelesen, seitens gewöhnlicher Juden gibt es offenbar keine Proteste.

Die Erwähnung des Gedichtes ist das Mindeste, was ich an dieser Stelle sowohl Jizchak Katzenelson, als auch meinem Großonkel und meiner Schwester schulde. Während ein ukrainischer Jude die Welt vor Chabad zu warnen versuchte, indem er Bücher bereits vor über zwanzig Jahren  schrieb, begann meine Schwester einen Eintrag in ihrem Tagebuch mit den Worten: "Traum: Bedrohung durch NS (...)". Ihr Freitod führte meine Gedanken zu der Stelle in unserem Wald, wo sich das Grab der im Holocaust erschossenen befindet.

Was hat es mit mir zu tun?, könnte ein Bewohner des Westens vielleicht denken oder mich sogar fragen. Es ist nicht so lange her, wie der zweite Weltkrieg, es geschieht gegenwärtig, ist aber weit von uns räumlich entfernt. Was Chabad tut, betrifft die ganze Menschheit, schreiben Russen in Kommentaren nicht selten. Vor kurzem erblickte ich Worte auf meinem Bildschirm auf Englisch. Ein Chabad Rabbiner sprach auf Französisch: Mashiach wird kommen, sobald Edom, Europa, Christentum, zerstört werden. Die Islamisierung Europas sei etwas Exzellentes. 

Auf jüdischen Seiten, es sei mir nachgesehen, an die Titel kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern, las ich vor einigen Jahren, dass eine amerikanische Partei Geld nach Israel schickte, um Gleichgesinnte zu unterstützen. Sie wollten, dass der Staat Israel aufhörte zu existieren, da er viel Geld kostete und für schlechten Ruf der Juden sorgte. Sie wollten die Übersiedlung der Muslime nach Westeuropa stoppen, da sich die Einheimischen ärgern. Das Geld kam nicht an. Das Geld haben die israelischen Angestellten der Bank(en?) zurück nach Amerika geschickt. Es kann eventuell gelingen, die Seiten via Stichworte  zu finden.  

Die Bewegung gegen den Zionismus unter Juden, hat es spätestens in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegeben. Viele Juden lebten in Osteuropa, viele wollten nicht nach Palästina gehen. Der angebetete Rabbiner Chabads soll zur Frage des Holocausts geäußert haben: "Der faule Ast des Judentums musste abgesägt werden". Darf ich mich damit einverstanden erklären? Es gelang ihnen nicht, ihn ganz zu absägen. Ein Teil davon lebt heute in Mea Shearim, Bnei Brak und an ein paar anderen Orten. Zwei von ihnen ruhen im von mir geerbten Wald. Es sei denn, sie leben erneut irgendwo, wiedergeboren.

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