Frauensache

Flüchtlinge sprechen mutig. Sie sagen: Ihr geht mit uns anders um, als ihr eigentlich solltet. Sie nennen vieles beim Namen. Nachdem ich die ersten Life-Aufnahmen aus der Ukraine gesehen hatte, lag ich im Bett, es war schon Nacht, draußen donnerte es und blitzte. Der Blitz war weder wirklich noch vorgestellt, er war wie aus einer anderen Welt, schwarze Wolken stiegen zum Himmel empor. Mein Zustand war fast so wie vor längerer Zeit jedes Mal, nachdem ich gewisse Bilder angeschaut hatte. Es waren Bilder vom Holocaust.

An einem Tag nicht viel später tippte ich eine Email an eine Einrichtung in mein Handy ein, ich wollte meine geerbte Wohnung für ein paar von denen, denen dem Rauch, dem Knall zunächst einmal zu entgehen gelang, zur Verfügung stellen. Die Wohnung steht, soweit ich weiß, leer. Sie ist weit von dem Ort, an dem ich zur Zeit bin, entfernt. Sie befindet sich im nordöstlichen Teil des trojanischen Pferdes der Vereinigten Staaten, wie manche das Land nennen.

Ich habe geschrieben und keine Antwort bekommen. Ein Formular, das ich für die Region fand, konnte ich nicht ausfüllen, weil meine Telefonnummer nicht mit der Vorwahl des trojanischen Pferdes begann. Ich schrieb an das Stadtamt und erhielt keine Antwort, wie viele andere auch, was ich mittlerweile weiß.  

Drei Wochen später bekam ich eine Nachricht. Die Volontärin schrieb, sie hätte früher nicht antworten können. Mir wurden einige Informationen zuteil. Ich suchte nach einem Formular erneut, die Vorwahl war für alle offen, eine neue Emailadresse des Stadtamtes speziell für die, denen zunächst einmal dem Unheil zu entgehen gelang, existierte mittlerweile auch. Ich schrieb. Ich bekam eine Antwort prompt, sprich Frage, ob es in der Wohnung Möbel gebe. Ich brach in Tränen aus. Die Wohnung wurde auf die Liste für Flüchtlinge aufgenommen. Das Licht draußen, der Blitz, den ich vor Wochen wahrnahm und der die Quelle des Rauches, des Knalls und meiner Angst war, war jetzt in meinem Herzen. Es war gold-weißes, sanftes und weiches Licht. Das Herz öffnete sich, vielleicht wurde es einen Augenblick lang zu dem, was es in Wirklichkeit ist? Zu etwas Großem? Es verband sich mit der ganzen Welt, mit allem, was es gibt und gab und geben wird, glaubte ich.

Ich kannte so einen Zustand nicht. Der schwarze Rauch versuchte die Sache dennoch zu überschatten. Ich hörte mich selbst in meinem Inneren sprechen, du kennst die Menschen nicht, es gilt ein Gesetz, dass es keine Ausnahmen für Exmission in der Corona Zeiten gibt, es gibt Panzer, du provozierst, es geisterte durch meinen Kopf, was weiß ich. Ich will nichts davon wissen, sagte ich. Es wurde still in mir. Meine Wohnung, die, wie es heißt, für fremde Menschen offen steht, kommt mir wie ein Mutterschoß vor, der unbekannte Wesen fürs Erste empfängt. Die Zeit, die die Menschen in der Wohnung, in den Wohnungen vieler, in Kurorten, Hotels dort, und fragt mich nicht wo sonst auf dieser Welt, möglichst geschützt und ruhig verbringen, will ich die Hoffnung, das Heil und die Trächtigkeit einer trojanischen Stute nennen. Vielleicht ist es sogar die Schwangerschaft einer kosmischen Mutter? Ich las eine Weile später, keine private Wohnung sei für Flüchtlinge in Anspruch in der Stadt genommen. Es genügen die Wohnungen, die der Stadt gehörten. Es flohen nicht viele dorthin, da die Gegend zu gefährdet schien.

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