Hauptsache Sprache
Nachdem ich dreißig Jahre lang in einem anderen Sprachraum lebte, kehrte ich in das Land, in dem ich aufwuchs, zurück. Eine Landwirtin aus der Gegend fragte mich, ob ich vor hätte zu bleiben. Sie schien hören zu wollen, was ich über die Gegend nach so langer Zeit denke. Ich sagte, dass es unendlich viele Vögel am Himmel gibt. Das Licht der Sonne sei goldig. Die Karotten, die Möhren, werden nicht schwarz wie Pech, sogar nach Wochen. Sehr kalt sei es allerdings, und zwar ständig. Die Kälte sei unerträglich. Die Landwirtin zögerte nicht, mir eine hoch kluge Antwort zu geben. 

Ihre Worte ließen mich an die Worte jemanden anders denken. Ich vernahm sie vor vielen, vielen Jahren beim Erzählen eines alten jüdischen Witzes. Ich kenne die Worte auswendig. Zu einem Rabbiner sei ein Mann gekommen und klagte, dass die Zustände in seinem Haus nicht auszuhalten seien. Er sagte, sie seien eine große Familie und hätten ein kleines Haus, darin Ziegen, Gänse und Hühner. Viele Tiere im Flur. Der Rabbiner streichelte seinen Bart lang, seufzte, schnupfte Tabak und sagte dem Mann, er solle noch drei Hühner dazu ins Haus führen. Der Mann wehrte sich, der Rabbi verlangte dies aber unerbittlich. Der Mann kam eine Woche lang jeden Tag zum Rabbi, klagte und folgte dem unbarmherzigen Rat noch dies oder jenes in sein Haus aufzunehmen.

Nach einer Woche fragte der Rabbi den Mann, ob er es auch so tat, wie gesagt. Der Mann bejahte. Alles, was du dazu genommen hast, schicke fort, sprach der Rabbiner nun. Ohne mit dem Auge zu zwinkern tat das der Mann auch noch. Am nächsten Tag kam er zum Rabbi angerannt und rief laut: Rabbi, Ich habe so viel Platz! Dank dir! Kaum als sie meine Klage hörte, erklärte die Landwirtin: Es wird noch kälter werden, genauso wie der Rabbiner selbstsicher und unbarmherzig. Sie half mir sehr. Kälte? Es gibt sie gar nicht mehr!

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